Herbstzeit: Bunte Blätter wirbeln durch die Luft. Die Sonne strahlt milde auf Stoppelfelder und beleuchtet sanft die Giebelhäuser und Kirchturmspitzen von Lübeck. Eine wunderbare Zeit, um noch einmal aufs Rad zu steigen.

Heute dürfen mein Mann und ich erneut Julia Wittmer, die digitale Kuratorin der „Tour de Grass“-App, begleiten. Bereits im Mai machten wir uns das erste Mal auf die Tour und folgten der Spuren von Günter Grass.

Inzwischen hat sie die Günter Grass App weiterentwickelt. Diese ist jetzt ohne Probleme als Android oder IOS Version kostenfrei als App auf ein Smartphone herunterzuladen.

Der Aufbau der „Tour de Grass“-App zeigt uns nicht nur den Streckenverlauf, sondern geleitet uns zu 24 Stationen, die im Leben und Werk von Günter Grass (1927-2015) eine Rolle gespielt haben.

Ein Signalton weist den Nutzer auf den nächsten Anlaufpunkt hin (immer, wenn der Kuckuck ruft!), die mit Günter Grass in Verbindung gebracht werden. Dort erhält man weitere Fakten, Erinnerungsstücke, Geschichten und auch einige regionale Informationen.

 Durch das Lösen von verschiedenen Aufgaben mit Hilfe von Augumented Reality (AR) können wir sogenannte „Fundsachen“ virtuell sammeln, die uns neben weiteren Geschichten und Gedichten auf das nächste „Level“ bringen. Ziel ist es, am Ende der Tour vom „Schüler“ zum „Nobelpreisträger“ aufzusteigen.

Da in der Region zu dieser Zeit die meisten Cafés geschlossen haben, packen wir ein kleines Lunchpaket und einige Wasserflaschen ein. Eine Thermoskanne mit Kaffee wäre auch nicht schlecht gewesen. Und ein Powerpack fürs Handy, denn die App verbraucht sehr viel Akkuleistung.

Start zur herbstlichen „Tour de Grass“ von Lübeck nach Mölln

Start in Lübeck zur Tour de Grass

Um 10 Uhr haben wir uns also erneut auf den Spuren des Literaturnobelpreisträgers und auch langjährigen Freundes des „Klassik Altstadt Hotels“ auf den Weg gemacht.

Treffpunkt und Start der 46 Kilometer langen „Tour de Grass“ von Lübeck nach Mölln ist normalerweise das Grass-Haus in der Glockengießerstraße 21.

Da wir uns dieses Mal allerdings Zeit nehmen wollen, einige herbstliche Impression entlang des Weges zu fotografieren, haben wir uns an der Kanalstraße in Lübeck unweit vom Klassik Altstadt Hotel getroffen. Von hier aus können wir direkt raus aufs Land bis zur Eulenspiegelstadt Mölln – immer am Wasser entlang radeln.

Ich kann es kaum erwarten, wieder die Heimatlandschaft des Künstlers Günter Grass entlang der blauen Ader des Herzogtums Lauenburg zu genießen. Unglaublich, wie die Farben des Herbstes die Landschaft verändert haben.

Wieder spüre ich auch die Magie, die den Künstler beflügelt hat, hier zu werkeln

Günter Grass konnte kein Fahrrad fahren, dafür setzte er sich aber regelmäßig aufs Tandem.

Wir sehen ein Winter-Rapsfeld am Wegesrand und mir fällt erneut sein Gedicht ein zur Rapsblüte: „Normaler Wahnsinn, der sich sonst und alltäglich grau in grau kleidet, tritt nun flächig in Farbe auf“. Im Herbst bekommen diese Zeilen eine neue Bedeutung.

Diesmal erlauben wir uns etwas mehr Zeit bei der Kornbrennerei in Krummesse… da heute leider keiner mehr da ist, können wir mit Hilfe von Augmented Reality Gläser erklingen lassen – nach dem Vorbild in der „Blechtrommel“.

Als Fundsache gibt es hier „Satchmo“.

Natur pur

Wir hören den „Tiger Rag“ von 1917, der auch von Louis Armstrong aufgenommen wurde. Im Audio-Fundstück erfahren wir dann, warum dieses Stück so bedeutend für Grass war. Wir hören die Stimme von Katharina Thalbach, die eine Anekdote aus dem Erinnerungsroman

„Beim Häuten der Zwiebel“ vorliest.

Vorbei am idyllischen Dorf Berkenthien bei der Berkenthiener Schleuse, etwa nach 15,6 Fahrrad-Kilometern, fahren wir dann in Richtung Behlendorf.

Mein persönliches Highlight ist definitiv die Station Behlendorf im Herzogtum Lauenburg. Hier wohnte der Literaturnobelpreisträger Günter Grass die letzten 30 Jahre seines Lebens mit seiner Ehefrau Ute. 

Links und rechts erstrecken sich Felder, grasen Schafe und Kühe auf weiten Wiesen.

Landidylle pur

Jetzt, im Herbst, zeigt sich die Welt von ihrer goldenen Seite. Bei dieser Fahrradtour genießen wir die volle Pracht dieser Jahreszeit.

Grass Eiche

Über die Schleuse von Behlendorf, eine von insgesamt sieben Schleusen, die den Höhenunterschied von 12 Metern zwischen der Trave bei Lübeck und der Elbe bei Lauenburg überbrücken – lernen wir viel Wissenswertes aus der App.

Der lange Anstieg vom Elbe–Lübeck-Kanal hoch nach Behlendorf lohnt sich auf jeden Fall.

„Wo ich hause“- ein großartiges Gedicht gesprochen von Grass selbst, stimmt uns auf diese Stecknitz Region ein in der Günter Grass fast 30 Jahre gelebt hat und sich immer wieder von der Natur inspirieren ließ.

Die Station „Garten“, wo mithilfe von AR nachvollzogen werden kann, wie Günter Grass mit Aquarellfarben diese atemberaubende Landschaft – im Vordergrund die Obstwiese mit Äpfeln, Birnen und einem großen Nussbaum – mit raschen Pinselstrichen festgehalten hat.

Ich bin fasziniert, wie gegenwärtig Günter Grass noch überall in dieser Region ist.

Till Eulenspiegel in Mölln

Am Behlendorfer See, der sich jetzt im Herbst von der Sommersaison ausruht, höre ich ein Gedicht, das Günter Grass an genau dieser Stelle geschrieben hat. Die Blätter der Bäume leuchten in vielen Rot- und Gelbtönen, die sich auf der Wasseroberfläche des Sees spiegeln. Intensiver geht es nicht. 

Am Friedhof Behlendorf angekommen, nutzen wir die App, um dort die verschlossene Kirche virtuell zu besichtigen. Hier, auf dem Friedhof, haben die Eheleute Grass ihre letzte Ruhe gefunden.

Bevor wir in Mölln ankommen, durchfahren wir einen märchenhaften Wald (Vorsicht viele Wurzeln!). Nebelschwaden umschweben die dicken Baumstämme. Hier bleibt alles der Natur überlassen. Hier steht auch die von Grass so oft gezeichnete Hudeeiche, die über 350 Jahre alt ist. 

Glücklich und zufrieden erreichen wir gegen 16 Uhr schließlich die zauberhafte Stadt Mölln, auch bekannt als Till Eulenspiegels Wohnzimmer. In dieser romantischen Stadt mit ihren Gassen, Backstein und Fachwerkbauten endet unsere Tour.

Diese „Tour de Grass“ ist vor allem im Frühjahr und Herbst malerisch schön.

Links:
Günter Grass Suite bei uns im Klassik Altstadt Hotel
Infos für Radreisende