ich muß Euch sagen es weihnachtet sehr! Allüberall auf den Tannenspitzen sah ich goldene Lichtlein blitzen.

Knecht Rupprecht von Theodor Storm

Funkelnde Lichterketten zeichnen in der Dämmerung die Konturen der alten Segler nach, die an der Untertrave liegen. In der Takelage leuchtet ein mit roten und goldenen Kugeln geschmücktes Tannenbäumchen. Von irgendwo weht ferne Drehorgelmusik herüber und der Duft von Mutzenmandeln. Weihnachten in Lübeck ist ein Traum.

Es muss wieder viel los sein drüben in den Kopfsteinpflaster-Gassen der Altstadt; hier jedoch ist es andächtig still. Lange ist es her, dass an den Kaimauern des Holstenhafens die Segelschiffe aus aller Welt be- und entladen wurden und sich ein Wald von Masten wiegte. Den wuseligen Hochbetrieb hier vor den roten Backsteingiebeln der Speicherhäuser, der den Aufstieg dieser Stadt zur führenden Welt-Handelsmacht begründet

Riesenrad mit dem von weihnachtlichen Lübeck eck

Weihnachtliche Skyline von Lübeck.

Aber einen Hauch, einen Hauch spürt man noch von dieser märchenhaften Atmosphäre, wenn man den „Oldtimerhafen“ zwischen Beckergrube und Engelsgrube entlanggeht, wo die Veteranen der Meere liegen, viel dunkles Holz und blankes Messing, liebevoll von Privatleuten poliert, die sich gern daran erinnern, dass Lübeck als „Königin der Hanse“ Jahrhunderte lang die Nummer eins war.

Ein Trompeter bläst „Stille Nacht“ und bremst den Strom der Besucher im warmen Licht. Rund um das Rathaus riecht es nach Vanille und Zimt, Punsch, gebrannten Mandeln, Marzipan und Maronen – kindliche Festseligkeit. Dieser älteste aller Weihnachtsmärkte verströmt sie seit mindestens 360 Jahren. Thomas Mann schrieb über ihn: „Und wo man ging, atmete man mit dem Duft der zum Verkauf angebotenen Tannenbäume das Aroma des Festes ein.“

Überhaupt ist jetzt die schönste Zeit sich mit dem Buch oder einer der berühmten Buddenbrookfilme sich zu Gemüte zu führen.

Weißer Weihnachtsbaum

Der Buddenbrook Weihnachtsbaum in der Kulturlounge

Ich liebe die Weihnachtszeit, besonders in Lübeck. In der Ecke unsere „Kultur-Lounge“ im Soutarrain des Klassik Altstadt Hotels steht eine große Tanne, festlich geschmückt mit weißen Lilien, Silberglitter und einem Engel auf der Spitze. Alles so, wie es Thomas Mann im Roman beschrieben hat; genau so muss er ausgesehen haben, der Christbaum der Familie Mann, Weihnachten vor 140 Jahren. Und in dieser Straße, Fischergrube, hat sie das Weihnachtsfest gefeiert.

Am Koberg steige ich mit meinem schon 26 Jährigen Sohn, Alex ins Riesenrad – wie jedes Jahr traditionell zu Beginn der Weihnachtsmarkt-Saison. Ganz oben, in 50 Meter Höhe, geht der Blick über die sieben Kirchtürme, die hell erleuchtete Breite Straße unter uns, das ganze verwinkelte Häusermeer der nur ein mal zwei Kilometer großen Flussinsel in Wakenitz und Trave – wie die Illustration eines Märchenbuches.

Weihnachtsmarkt auf dem Rathausplatz

Fröhliches treiben auf dem Lübecker Weihnachtsmarkt.

Wer sich mit offenen Augen auf die alte „Königin der Hanse“ einlässt, den beschenkt sie mit Überraschungen. Denn sie ist mehr als Budenzauber und Mutzenmandeln, mehr als ein märchenhafter, einziger großer Markt – auch wenn sie dafür zu Recht als Deutschlands „Weihnachtshauptstadt“ des Nordens gilt.

Die Altstadt Lübeck ist UNESCO-Welterbe, steht damit auf einer Stufe mit Florenz und Venedig. Ein hoher Anspruch

Es war einmal – die zweitgrößte Stadt Deutschlands (nach Köln). Die stattlichen Kaufmannshäuser – etwa das Behnhaus mit der größten und prächtigsten Diele Norddeutschlands, in der viele Filmszenen entstanden sind – legen Zeugnis ab von Lübecks superreicher Vergangenheit.

Der Film "Buddenbrooks" von 2007 gedreht in Lübeck

Weihnachten bei den „Buddenbrooks“. Der Film von Breloer .

Doch sie versprühen auch den morbiden Charme der Vergänglichkeit. Mit dem Niedergang der Hanse ab dem 16. Jahrhundert waren die glanzvollen Tage gezählt. So spielt die Geschichte des Verfalls einer reichen Kaufmannsfamilie, die Mann erzählt, keineswegs zufällig in Lübeck.

„Aber es gibt einen großen Unterschied, sagt Heide Aumann, Kunstgeschichtelehrerin des Buddenbrookhauses: „Lübeck hat zwar an Bedeutung verloren, aber es ist immer bewohnt, belebt und modern geblieben. Es ist kein reines Museum – obwohl wir hier zwölf bedeutende Museen auf engstem Raum haben. Alt und neu haben hier zu jeder Zeit nebeneinander existiert. Wir sind keine Millionenstadt wie Hamburg geworden. Aber genau das hat uns vermutlich die mittelalterlichen Straßen erhalten – ist also ein Glücksfall.“

Auch das Europäischen Hansemuseum, welches erst im Mai 2015 eröffnet hat, schmückt sich in diesem Jahr feierlich. Hier findet nun das Weihnachtswunderlandes mit eine mit pinkfarbener Kindereisbahn statt.

…und wo man ging, atmete man mit dem Duft der zum Verkauf angebotenen Tannenbäume das Aroma des Festes ein.

Aus den Buddenbrooks von Thomas Mann

Heide Aumann nennt sich „literarisch-historische Spaziergängerin“ – und kennt nahezu jede Anekdote der 875-jährigen Stadtgeschichte. Mit Breloer war sie auf Motivsuche, um die zwölf Drehorte in Lübeck auszuwählen – wohin sie heute Besuchergruppen führt. Charmant und mit lübschem Selbstbewusstsein erklärt Aumann ihre Stadt, die wie für alle hier die schönste der Welt ist.

Weihnachtszeit, das heißt auch für sie Hochsaison: „Jetzt sehen die Renaissancehäuser und klassizistischen und backsteingotischen Fassaden – je nach aktuell modischem Gusto ihrer damaligen Besitzer – aus wie jene Geheimnis – voll glitzernden Häuser auf den Adventskalendern längst vergangener Kindertage.“

Weihnachtskalender

Lübecker Marzipan im Niedderegger Weihnachtskalender

1350 ist das Jahr, in dem Lübeck auf dem Höhepunkt seiner Bedeutung war. Nach Köln zweitgrößte Stadt des deutschen Reiches. Königin der Hanse. Eine Handelsweltmacht, die Nord- und Ostsee regierte. Nicht nur die majestätischen Stadtkirchen, auch das Heiligen-Geist-Hospital ist Zeuge dieser Epoche. 1286 erbaut „zum Besten der Kranken und Armen“. Eine der ältesten Sozialeinrichtungen der Welt – die am besten erhaltene Hospitalanlage des Mittelalters wird noch heute als Altersheim genutzt. Die Bewohner lebten bis 1970 in je vier Quadratmeter großen Holzkammern, den Kabäuschen – zusammengepfercht in einer mittelalterlichen Halle, die mit gotischen Fresken geschmückt war. Normalerweise, in der Vorweihnachtszeit, ist der Raum erfüllt vom Duft von Punsch und Waffeln und Tannenzweigen. Der Weihnachtsmarkt im Heiligen-Geist-Hospital ist auch so eine eigentümliche Zeitreise. Dieses Jahr liegt der Markt eine Pause ein um sich für sein 50-Jähriges Jubiläum in 2018 hübsch zu machen.

Birgit Rotter rückt die geschliffen farbigen Gläser zurecht. Sie ist eine der Kunsthandwerker, die auf normalerweise auch auf dem berühmtesten Weihnachtsmarkt der Welt für den guten Zweck verkaufen. In diesem Jahr findet der Kunsthandwerkermarkt im Hoghehus in der Breite Straße statt.

„It’s a fairytale city, eine Märchenstadt“, sagt die gebürtige Amerikanerin, seit zwei Jahrzehnten in Lübeck, und wenn sie von ihrer Wahlheimat spricht, leuchten ihre Augen wie die eines jungen Mädchens, das vor dem Christbaum steht: „Es ist die einzigartige Weise, wie das Licht hier fällt, durch bleigefasste bunte Fenster, sich in Pfützen spiegelt. Es ist der Löwenzahn zwischen den Pflastersteinen, die roten Ziegel, der Mandelduft, die Glocken, die Orgeln, die Chöre. Das alles ist Lübeck für mich – wie eine kleine alte Dame, die eine Rose verkauft und liebevoll lächelt.“

Wer so spricht, trägt genauso wie wir die Stadt der Weihnachtsmärchen im Herzen.

Das Team vom Klassik Altstadt Hotel und ich wünschen Ihnen eine bezaubernde Weihnachtszeit – vielleicht sogar in Lübeck.